An das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung
Betrifft: Stellungnahme des Österreichischen Club für American Staffordshire Terrier
zu Beilage zu Verf-2012-122823/75-Mar
Begutachtungsentwurf Oö Hundehaltegesetz-Novelle 2021
Sehr geehrter Herr LH Thomas Stelzer und LR Wolfgang Klinger,
Immer wieder haben in der Vergangenheit Experten nach Oberösterreich gezeigt und dieses als Vorbild genannt. Auch die Politiker selbst berichteten noch vor einiger Zeit stolz, wie erfolgreich ihr Modell sei. Trotz einer Zunahme der gemeldeten Hunde, ging die Anzahl der Bisse deutlich zurück. Ein Vorzeigemodell. Nun möchte ausgerechnet dieses Bundesland eine Rasseliste einführen?
Experten sind gegen Rasselisten
Ein System, das jeglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht und gegen das sich bereits diverse Hundeexperten, wie Dr. Irene Sommerfeld-Stur (Genetikerin), Georg Sticha (Problemhundeexperte), Yvonne Adler (Trainerin, Prüferin Wr. Hundeführschein), Dr. Esther Schalke (Verhaltensexpertin), Dr. Udo Gansloßer (Zoologe), Dr. Adam Miklosi (Verhaltensexperte), Dr. Manfred Hochleitner (Präsident der Wiener Tierärztekammer), Jim Crosby (Problemhundeexperte) und viele weitere ausgesprochen haben. Es gibt diverse Studien, die bereits zeigen, dass die Rasseliste nicht zielführend ist, allen voran möchten wir die Arbeit der Veterinärmedizinischen Universität Wien erwähnen. Jene, die die Rasseliste als Erfolg bezeichnen, machen dies meist an der Anzahl der gemeldeten Listenhunde fest, die unter Listen nur wenig zurück geht. Oder daran, dass unter den Hundeführern, die in Vorfälle verwickelt waren, der Großteil nicht über eine nachweisliche Sachkunde verfügte. Nicht jedoch an der Beißstatistik. Die Rasseliste wird unter dem Vorwand der Bissprävention eingeführt, dann aber nicht an der gesamten Beißstatistik gemessen. Dies ist ein unwissenschaftliches sogar ein unethisches Vorgehen – die Arbeit mit Scheinsicherheit.
Anziehung der falschen Leute
Allerdings werden durch die Liste einige Probleme erst angefeuert. Leider gibt es Menschen, die Hunde als Statussymbol missbrauchen. Leider gibt es Menschen, die wollen, dass sich andere vor ihren Hunden fürchten. Diese Menschen sollten keine Hunde, egal welcher Rasse, haben. Genau sie werden aber durch mediale Hetze, Rasseliste und Stigmatisierung erst von bestimmten Rassen angezogen. Sie ruinieren jeden Hund den sie in die Finger bekommen, am Ende hängt man sich dann aber wieder an der Rasse auf. Die Rasseliste kann zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden, egal wie unverschuldet die einzelnen Rassen darauf gekommen sind.
Zustandekommen von Rasselisten
Bisher wurde die Rasseliste meist von einem anderen Land übernommen – ohne sie zu hinterfragen. Dies ist insbesondere daran zu erkennen, dass in Wien zum Beispiel eine Rasse auf der Liste steht, von der nur ein Exemplar in Wien gemeldet ist oder eine Rasse bei Einführung angeführt wurde, mit der, trotz häufigen Vorkommen, kein einziger Vorfall in Wien bekannt war. In Niederösterreich steht der Bandog auf der Liste, obwohl dies nur das Wort für Kettenhund ist. Oberösterreich hat allerdings eine Statistik über Vorfälle geführt. Unter den Rassen dominieren nicht die Listenhunde. Für einige Listenhunde greift die Gruppe Terrier. Hier handelt es sich allerdings um eine gesamte FCI Gruppe mit 34 verschiedenen Rassen. Vor dieser Gruppe stehen aber mehrere andere Rassen oder Gruppen, im Jahr 2014 waren es Schäferhund, Labrador/Golden Retriever, Jagd- u. Vorstehhunde. Sollen all diese Hunde nun auf der Liste landen?
Fehler bei Rassebestimmung vorprogrammiert
In der Heimtierdatenbank sind über 10.000 Hunde als American Staffordshire Terrier gemeldet, denkt man über diese Zahl nach, müsste es bei einer erhöhten Gefährlichkeit zu weitaus mehr Fällen kommen. Es ist aber auch offensichtlich, dass diese Anzahl an Hunden, nicht durch offizielle Züchter gedeckt werden kann. Viele Hunde werden aufgrund ihrer Optik eingeschätzt. Für „Pit Bull Types“, zu jenen auch der American Staffordshire Terrier gehört, ist bereits in einer Untersuchung gezeigt worden, dass viele Mixe falsch eingeschätzt werden. Jeder 3. nicht Pit Bull Type wurde fälschlich für einen solchen gehalten. Das Forschungszentrum für Kinderunfälle gab bei einer Untersuchung an, dass nahezu die Hälfte der Hunde nicht identifiziert werden konnte. Sobald es sich um einen Mischling handelt, ist die Frage wie der Hund einzuordnen ist ohnehin schwierig. Es zeigt sich hier also, dass Rasseangaben kaum geglaubt werden kann und man ein hohes Risiko auf Verfälschung eingeht, wenn man auf Rassen zur Bissprävention setzt.
Meiste Einschränkungen trotz höchster Sachkunde
Sollte man sich allem Wissen zu trotz für eine Rasseliste entscheiden, ist es weiters völlig unbegreiflich, dass die betroffenen Hunde ein Leben an kurzer Leine und mit Maulkorb führen sollen. Wie in Wien und Niederösterreich sollen die Besitzer weitaus mehr Sachkunde nachweisen, als viele Hundebesitzer haben. Wir wissen, dass ein sachkundiger Hundeführer die höchste Prävention gegen Vorfälle darstellt. Auch ein noch so freundlicher Hund, kann Schaden anrichten, wenn der Hundeführer ihn nicht korrekt führt, während ein hochaggressiver Hund in der richtigen Hand ein Leben führen kann ohne jemals Schaden anzurichten. Es sollen jedoch genau jene, die die höchste Sachkunde bewiesen und Prüfungen ablegten, ihren Hund generell mit Maulkorb und Leine führen müssen. Dabei sollten genau jene Leute besonders gut einschätzen können, ob ihr Hund eine Gefahr darstellt. Eben in Oberösterreich gibt es viele schöne Orte, an denen man kaum einem Menschen begegnet, trotzdem ist hier keine Ausnahme vorgesehen. Wohingegen jeder andere Hund in vielen Situationen ohne Maulkorb oder Leine sein darf, obwohl sein Besitzer nur einen 2-stündigen Vortrag ohne Prüfung besucht hat. Dies entbehrt jeglicher Logik. Spätestens wenn Hund und Halter bewiesen haben keine erhöhte Gefahr für die Gesellschaft darzustellen, muss der Hund ein normales Leben führen dürfen. Selbstverständlich verstehen wir gewisse Einschränkungen für auffällige Hunde, wie jedoch ist die Einschränkung und Diskriminierung für nachweislich problemlose Teams zu rechtfertigen?
Einschränkung durch kurze Leine
Das oberösterreichische Gesetz definiert eine Leine mit 1,5 m. Dies ist in bestimmten Situationen, zum Beispiel bei Menschenansammlungen, auch gerechtfertigt. Jedoch sehen wir keine Rechtfertigung für diese Leinenlänge, wenn sie für bestimmte Hunde generell vorgeschrieben ist. Mit einer solchen Länge wird der Hund in seiner Kommunikation und seiner Auslastung massiv eingeschränkt. Dies ist verständlich, wenn es einen klaren Grund, wie vermehrtes Menschenaufkommen oder Orte für Kinder (Schulen, Kindergärten, Spielplätze) gibt und für alle Hunde gilt. Sonst jedoch muss eine längere Leine erlaubt sein, um ein normales Training durchführen zu können. Viele Sportarten die zur Auslastung des Hundes dienen, wie Canicross, bei dem die Leine 2-3 m Länge haben soll, werden verhindert. Diesen Teams wird die Teilnahme an einer Fährtenprüfung verwehrt, da hier von der internationalen Prüfungsordnung eine Leinenlänge von 10 m vorgeschrieben ist. Sogar Mantrailing, das dem Wohl der Menschen dient, wird durch diese Leinenlänge verhindert. Jedoch auch für eine freie Kommunikation mit einem freilaufenden Artgenossen braucht der Hund möglicherweise mehr Leinenlänge, zum Beispiel, wenn ein Hund einem anderen signalisieren will, dass er keine Gefahr darstellt. So kann eine eingeengte Kommunikation sogar zu einem Angriff führen obwohl sich der Hund vollkommen korrekt verhalten hätte. Dies kann sowohl beim Angreifer als auch beim Opfer für eine höhere Aggressionsbereitschaft in der Zukunft sorgen und so erst problematische Hunde erschaffen.
Maulkorb ersetzt keine Sachkunde
Beim Maulkorb handelt es sich um ein Hilfsmittel, das – richtig verwendet – helfen kann. Jedoch ist er kein Ersatz für Sachkunde und sollte nur gezielt eingesetzt werden. Auch ein gutsitzender Maulkorb beeinflusst die Kommunikation des Hundes. So reicht einer souveränen Hündin oft allein ihre Mimik um einen ungestümen Jungrüden klarzumachen, dass sie kein Freiwild ist. Dies wird ihr mit einem Maulkorb verwehrt. Auch wenn ein anderer Hund jenen mit Maulkorb für eine Gefahr hält, wird diesem eine Möglichkeit der Entschärfung genommen. Dies ist vertretbar, wenn es – in ausgewählten Situationen – beide trifft. Auch wenn es sich um einen Hund handelt, der mit Verletzungsintention angreift, sind die Nachteile des Maulkorbes in Kauf zu nehmen. Jedoch nicht für unschuldige Hunde, denen das Training erschwert wird und deren Hundeführer Sachkunde bewiesen haben. Vielen Hunden hilft es in schwierigen Situationen ein Spielzeug zu tragen. Im Training kann schlecken, kauen oder Leckerli am Boden suchen gezielt eingesetzt werden, um mit Hunden zu arbeiten. Dies gilt auch für potentielle Problemhunde, welche sich noch am Scheideweg befinden und noch zu einem normalen Leben ohne übermäßige Angst und Aggression geführt werden können. Diese Möglichkeiten werden Hund, Hundeführer und Trainer verwehrt. Jedoch kann ein wirklich problematischer Hund – falsch geführt – auch mit Maulkorb starke Kräfte entwickeln und erheblichen Schaden anrichten. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Sachkunde weitaus höher zu werten ist. Warum wird also auf Maulkorb in jeder Situation gesetzt und damit sogar Trainingsmöglichkeiten verschlossen?
Babys mit Maulkorb
Wie oben erwähnt kann ein Hund natürlich für gewisse Situationen einen Maulkorb tragen und hieran gezielt herangeführt werden, aber dies braucht Zeit. Viele Welpen gehen bereits bei ihren Züchtern spazieren. Nun soll dies – für 6 Wochen alte Babys – nur noch mit Maulkorb und Leine erlaubt sein. Auch kleine Ausflüge, die Züchter gerne mit ihren Welpen unternehmen, werden hiermit womöglich verhindert, da die Welpen noch nicht ausreichend an den Maulkorb gewöhnt sind. Somit wird bereits die Sozialisation beim Züchter auf eine Art erschwert, die dieser nur mit gezieltem Mehraufwand ausgleichen kann. Die späteren Besitzer trifft das gleiche Problem. Sie müssen gezielt auf Privatgründen Kontakt suchen um Sozialisationsaspekte möglich zu machen, die bei anderen Welpen nebenbei funktionieren. Auch die Beißhemmung ist hiervon betroffen. Ziehen die Welpen beim Züchter aus, haben sie teilweise noch unter 5 kg, können jedoch ein Endgewicht von über 30 kg erreichen. In dieser Zeit müssen sie die Welt entdecken und ihr Greifwerkzeug Maul einsetzen lernen. Dies ging in Oberösterreich zu einem großen Teil nebenbei, wenn man einfach mit dem Hund hinaus in die Welt gegangen ist. Nun wird es nur noch durch gezielten Einsatz der Besitzer möglich sein. Das gleiche gilt für die kurze Leine, die die Kommunikationsentwicklung eines jungen Hundes stark beeinträchtig und ihn in eine Opferrolle bringt. Für uns ist somit eine Ausnahmeregelung für junge Hunde unumgänglich um es seriösen Züchtern und Haltern zu erleichtern Welpen zu alltagstauglichen Hunden heranzuziehen.
Keine Ausnahmen für Kranke und Verletzte
Das oberösterreichische Gesetz sieht momentan eine Ausnahmeregelung bezüglich des Maulkorbes nur für Hunde mit Atemwegserkrankungen vor. Bisher konnten die Besitzer alter oder verletzter Hunde der Maulkorbpflicht ausweichen. Für Listenhundebesitzer ist dies im Alltag mit dem aktuellen Entwurf nicht möglich. Alte Hunde haben andere Bedürfnisse, es gibt sehr viele Erkrankungen bei denen der Maulkorb sich ebenfalls klar schlecht auswirkt, wie Herzerkrankungen. Auch Verletzungen im Maulkorbbereich sind möglich. Den Maulkorb trotzdem tragen zu müssen, beeinträchtigt die Heilung der Wunde und kann zu langfristigen Gewebeschäden führen. Der Hundebesitzer wird – wie so oft bei zu strengen Gesetzen – vor die Wahl gestellt das Hundehaltegesetz oder das Tierschutzgesetz einzuhalten.
Was immer greift
Man sieht, dass die Sachkunde der einzige Punkt ist, der das Hundewohl nicht beeinträchtigt, sondern sogar fördert. Dabei gilt auch das Hundewohl als wichtiger Präventionsfaktor. Ein gut sozialisierter Hund, der weiß, wie er adäquat reagiert, stellt in jeder Lebenssituation eine geringere Gefahr dar. Auch die Sachkunde im Umgang mit Hunden greift in jeder Situation. Zu übertriebene Einschränkung der Hunde hingegen, macht es schwieriger die Hunde so zu erziehen, dass sie sich im Alltag passend verhalten. Jedoch werden die schützenswertesten Opfer – die Kinder – meist im privaten Umfeld gebissen, hier werden Maulkorb- und Leinenpflichten niemals greifen, Sachkunde und Sozialisation jedoch schon. Obwohl er nicht im privaten Umfeld geschah, wäre auch der Vorfall, der als Anlass für die Gesetzesänderung gilt, nicht verhindert worden. Der Hund war auf privatem Grund nicht ausreichend verwahrt. Auch hier hätten nur Sachkunde, gute Sozialisation und strengere Kontrollen geholfen.
Schwarze Schafe sind das Hauptproblem
Die Novelle 2012 in Oberösterreich, bei welcher ein Halteverbot besser zu exekutieren wurde, bewies, dass die deutlichste Bissreduktion erreicht wird, wenn schwarzen Schafen ein Riegel vorgeschoben wird. Trotzdem ändert das neue Gesetz nichts an der Durchführbarkeit bestehender Vorschriften. Mit diesem Punkt werden die Gemeinden weiterhin allein gelassen. Es macht keinen Sinn immer mehr neue Gesetze zu veranlassen, während bestehende nicht exekutiert werden. So werden gute Vorschriften nicht umgesetzt, sondern weiter ergänzt um früher oder später Gesetze zu erschaffen, die mehr Schaden als Nutzen bringen. Umso strenger die Vorlagen umso eher werden verantwortungslose Hundehalter sie ignorieren. Es werden also nur die gesetzestreuen und verantwortungsvollen Hundebesitzer und ihre Familienmitglieder immer weiter für die Fehler anderer bestraft. Dies könnte auch dazu führen, dass die Hunde einfach nicht gemeldet werden. Somit werden die Gesetze noch schwieriger durchzusetzen und die Statistiken weiter verfälscht.
Bessere Sachkunde für Züchter und Tierschutzvereine nötig
Auch die Sachkunde von Menschen die Tiere vermitteln wird weiterhin nicht geprüft, obwohl die medial verbreiteten Fälle, die zu Rasselisten führten, immer wieder zeigten, dass die betroffenen Hunde meist in unseriöser Hand waren. Wie oben besprochen, können unmöglich alle American Staffordshire Terrier von seriösen Züchtern stammen. Dies gilt genauso für viele andere Rassen. Wo kommen also all diese Hunde her? Ein Großteil von unseriösen Vermehrern und unseriösen Pseudotierschützern. Der seriöse Tierschutz muss dies dann abfangen. Statt ihn bei seiner Aufgabe zu unterstützen und schwarze Schafe auszusortieren, kann das geplante Gesetz jedoch zu einer erhöhten Abgabe führen, wie es in anderen Regionen der Fall war. Die Vermittlungschancen der Listenhunde im Tierheim sinken aber zeitgleich. Was passiert, wenn die seriösen Vereine diese Arbeitslast nicht mehr stemmen können? Klebt dann das Blut unschuldiger Hunde an den Händen der Gesetzgeber, während Vermehrer weiter das Land mit potentiell kranken und problematischen Hunden überschwämmen?
Aus all diesen Gründen und noch mehr sprechen wir uns gegen das geplante Gesetz, das auf Scheinsicherheit baut, aus. Um zurück auf den Weg zu kommen, auf dem Oberösterreich eigentlich schon war. Um eine echte Bissprävention zu ermöglichen.
Quellen:
Heimtierdatenbank
Inconsistent identification of pit bull-type dogs by shelter staff, Olson et al.,
Verletzungen durch Hundebisse bei Kindern bis zum 14. Lebensjahr – Fokusreport 2019,
Forschungszentrum für Kinderunfälle